Olaf Scholz im Sat.1-Interview
Hilft ja nix: Der Kanzler und der neue Optimismus Marke Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gibt bei Sat.1 ein Interview für die Sendung „newstime spezial: Wo steht Deutschland?“.
Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Sein erstes Interview nach dem Sommerurlaub gibt Olaf Scholz dem TV-Sender Sat.1 – und überrascht mit einer neuen Strategie: Nicht einmal der Bundeskanzler selbst weckt noch Aussicht auf ein Ende des Ampelstreits. Der einzige Ausweg? Olafs Alleinherrschaft.
Berlin. Zwei Dinge kann man dem ersten Interview von Olaf Scholz nach dessen Rückkehr aus seinem letzten Sommerurlaub als Bundeskanzler jedenfalls nicht vorwerfen: dass er in langatmiges Labern verfallen wäre – und dass er noch versucht, die Dinge schönzureden. Nicht mal mehr das.
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Im Gegenteil: Als es in einer Viertelstunde per Schweinsgalopp vom Dauerstreit der Ampel zur Frage der Finanzhilfen für die Ukraine geht, von da zu den miesen Wahlaussichten für die SPD in Sachsen und Thüringen am übernächsten Sonntag und schließlich zu US-Präsidentschaftsduell und Nahostkrise, da pariert Scholz zackig und überwiegend mit den vielfach erprobten Antworten – nur dass sie an diesem Dienstagabend alle auf eine überraschend ernüchternde Aussage hinauslaufen: Da kann man nichts machen. Oder hanseatisch: Da tuste nix.
Laut Umfrage: Mehrheit mit Scholz und Ampelregierung unzufrieden
Viele Wählerinnen und Wähler sehen die Arbeit der Bundesregierung kritisch. Bei einer Umfrage rechnen sie nun auch mit Kanzler Scholz ab.
Quelle: dpa
Bei Scholz klingt das dann so: Der schlechte Zustand der Koalition? „Wir werden nicht wieder zurückkommen in die Zeit, als es in der Regierung nur eine große Partei gab und eine kleine.“
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Die heftig umstrittene Botschaft von Christian Lindner an seine Kabinettskollegen, der Ukraine nicht mehr Hilfe zu versprechen, als man schon jetzt bezahlen kann? „Da ist ja kein einziger Fakt neu.“
Die einstelligen Umfragewerte der SPD vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen? „Die sind nicht schön“, aber auch „nicht so leicht zu ändern.“
Der noch immer nicht erreichte Waffenstillstand in Nahost? „Das muss jetzt mal was werden.“
„Wird nicht einfacher. Für niemanden.“
Auf die Frage, woraus er noch Hoffnung schöpfe, dass der Koalitionsstreit sich im Endspurt der Legislatur noch bessert, antwortet Scholz sogar allen Ernstes: „Das, was ich jedenfalls glaube, ist, dass es überhaupt nicht einfacher wird. Für gar niemanden in Deutschland.“
Das ist der Optimismus, den der Kanzler noch zu bieten hat: Ohne die Ampel wird‘s auch nicht besser, womöglich sogar schlimmer. Immerhin seien CDU/CSU, Grüne und FDP seinerzeit ja schon beim Versuch gescheitert, eine Dreierkoalition zu schmieden. „Wir haben eine Regierungsbildung mit drei Parteien hingekriegt“, lobt sich Scholz, „das war schon mühselig, das Regieren ist nun auch mühselig.“ Aber, na ja, muss ja.
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Olaf Scholz beim Fernsehsender Sat.1, hier mit den Interviewern Charlotte Potts (rechts) und Heiko Paluschka.
Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Bei diesem ernüchternden Realismus ist inzwischen die gesamte Koalition angekommen: Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner bescheinigen einander gegenseitig, künftig nicht mehr in dieser Form zusammenarbeiten zu wollen. Grünen-Chef Omid Nouripour nennt die Ampel eine Übergangsregierung nach der Ära Merkel, und Olaf Scholz preist es eben inzwischen schon als Erfolg an, dass er vor drei Jahren überhaupt eine Regierung bilden konnte. Wobei FDP und Grüne Scholz‘ Verweis auf die geplatzten Jamaika-Verhandlungen wohl als Warnung verstehen sollen: Ohne die SPD stünden die beiden noch schlechter da. Oder eben: Einfacher wird‘s nicht mehr.
Sat.1 hat die Sendung „Wo steht Deutschland?“ genannt, und wenn man dem Kanzler folgt, dann steht es offensichtlich erst am Anfang einer langen Phase von Genervtheit.
Psychologische Kriegsführung gegen Merz
Dabei war doch gerade Olaf Scholz immer ein Meister der Suggestion. Dass es ihm 2021 gelang, aus seiner Auto-Suggestion, er könne es zum Regierungschef schaffen, eine Massensuggestion zu machen, brachte ihn ins Kanzleramt. Bei Sat.1 erinnert er daran, wie die Union sich in der Parteivorsitzenden- und K-Frage mühte, bis schließlich Armin Laschet gegen ihn verlieren durfte.
Und als die Fragesteller ihn wiederum an seine Äußerung in einem RND-Interview erinnern, wonach es ihm ganz recht wäre, im kommenden Jahr gegen Friedrich Merz anzutreten, begründet Scholz das mit einer neuen kleinen Provokation gegen den CDU-Chef: Er kenne ihn halt schon lange, sagt der Kanzler. „Wir wissen, was wir aneinander haben.“
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Er darf davon ausgehen, dass Merz ob dieser Anspielung auf ihr legendär schlechtes Verhältnis mal wieder an die Decke geht – und genau das ist ja auch das Ziel von Scholz‘ psychologischer Kriegsführung.
„RND vor Ort“: Die Highlights aus dem Talk mit Bundeskanzler Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz stellte sich beim Bühnentalk „RND vor Ort“ in Potsdam den Fragen von Eva Quadbeck und Henry Lohmar.
Quelle: RND/TVN
So ähnlich adressiert er auch die Wählerschaft mit Blick auf die nächste Bundestagswahl: Nur mit der SPD gebe es stabile Renten, gute Löhne, Hilfe für Geringverdiener und für Kinder, sagt Scholz. Und mit der CDU gibt es halt Merz.
Wenn der Wähler am Ende wieder, wie schon 2021, denkt, es helfe ja nix und den Amtsinhaber fürs kleinste Übel hält, reicht das Scholz ja schon. Merke: „Jede Regierung ist die Regierung vor der nächsten“, kommentiert der Kanzler Nouripours Übergangsprovokation kühl, „und manchmal ist es die gleiche.“
Freilich spult Scholz auch seinen bewährten Erfolgsbilanzblock ab, allerdings tut er das inzwischen so lustlos und routiniert, dass es immerhin flink geht: Tempo bei der Modernisierung, die Bewältigung der Energiekrise, die Unterstützung der Ukraine, eine bessere Aufstellung der Bundeswehr. Überhaupt, ohne den Ukraine-Krieg liefe es natürlich viel besser. Aber was will man machen.
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Immerhin hat Scholz eine Botschaft an die Wähler in Sachsen und Thüringen, die – wohl auch wegen deren Ablehnung deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine – in Massen AfD und Wagenknecht wählen wollen: Er sei ja als Kanzler auch immer zurückhaltend mit solchen Lieferungen gewesen. Oder, wie er es nennt: besonnen.
Hat er nicht eben noch, siehe Lindner-Brief, Deutschland als größten Helfer der Ukraine gelobt und bestritten, das ändern zu wollen? Nun, die Zeiten sind widersprüchlich, hilft ja nix.
Auch die Schlusspointe der Erfolgsbilanz kennen wir schon: „Alle diese vielen Entscheidungen sind mühselig errungen und man muss immer befürchten, dass irgendwie der Pulverdampf vom Schlachtfeld gewissermaßen verdeckt, was da real passiert ist.“ Dass dieser oft bemühte Pulverdampf sich partout nicht verzieht, das sei „natürlich nicht gut“. Wir dürfen ergänzen: Aber da tuste nix.
Aber man muss fair bleiben. Es ist nicht so, dass der Kanzler gar keine Auswege benennen kann. Der realistischere ist, siehe oben, sich trotz allem durchzubeißen: Regieren sei „mühsam“, so Scholz, „trotzdem muss man sich die Mühe hier machen“.
Den anderen präsentiert er auf die Frage, ob er gar keinen Grund zur Selbstkritik sehe. „Wenn Sie mir das Recht geben, alles alleine zu entscheiden, würde die Performance sofort anders sein.“ Aber, leider, die Wahlergebnisse gaben das nicht her und werden es wohl auch in Zukunft nicht.
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Genau: Da kann man nix machen.